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> Zusammenfassung des Arbeitspapiers: "Die Kommission und die Rhodia-Affäre" (http://lipietz.net/?article1763)
von Alain Lipietz | 18. November 2005 Zusammenfassung des Arbeitspapiers: "Die Kommission und die Rhodia-Affäre" Justificatif pour une commission d’enquête parlementaire SPRACHE UND ÜBERSETZUNGEN DES ARTIKELS : Dieser Artikel ist auf: Deutsch
Zwischen 1999 und 2004 entwickelte sich "die Rhodia-Affäre", Gegenstand eines durch die indische Börsenaufsichtsbehörde angestrengten zivil- und eines in Frankreich laufenden zivil- und strafrechtlichen Prozesses. Die Entscheidung von 1999 fiel unter die Verantwortung von Kommissar Karel van Miert. Von Ende 1999 bis Januar 2004 fiel die weitere Behandlung der Rhodia-Affäre, Hoechst/Rhône-Poulenc war mittlerweile zu Aventis verschmolzen worden, in das Ressort des Kommissars Mario Monti. Der Bericht über das Jahr 2004 ist unter der Verantwortung der neuen Kommissarin, Frau Neelie Kroes, verfasst worden. Der Einfachheit halber werden wir diese zeitliche Abfolge aufgreifen. Die Entscheidungen in der Amtszeit Van Miert (1999) Entscheidung 1517 über das Übernahmegesuch von Allbright und Wilson (AW) durch Donau [Chemie*]. Die Genehmigung hierzu wird dem Unternehmen Rhodia erteilt, das sich zu diesem Zeitpunkt zu 67% unter der Kontrolle von Rhône-Poulenc befindet, wobei Donau Chemie gleichzeitig von sich behauptet, von Rhône-Poulenc unabhängig zu sein. Die Generaldirektion Wettbewerb ist der Ansicht, dass der Kauf durch Donau Chemie schlussendlich ein Kauf im Auftrag von Rhône-Poulenc - Rhodia ist. Warum diese Verschleierung? Rhône-Poulenc wünscht, AW zu kaufen, sieht sich jedoch mit einem konkurrierenden Übernahmeangebot konfrontiert. Nun aber kann Rhône-Poulenc AW ohne die Genehmigung der GD Wettbewerb nicht übernehmen. Der durch Donau Chemie gelieferte Schutzschirm dient vorübergehend dazu, dieses Hindernis zu umgehen. Entscheidung 1378 über as Zusammenschlussvorhaben Rhône-Poulenc - Hoechst. Zum selben Zeitpunkt erlaubt die GD Wettbewerb den Zusammenschluss der Unternehmen Rhône-Poulenc und Hoechst, aus denen später Aventis hervorgehen wird. Um jedoch eine Verstärkung der beherrschenden Stellung hinsichtlich bestimmter Marktsegmente im Chemikalienbereich zu vermeiden, akzeptiert die GD Wettbewerb den Vorschlag Rhône-Poulencs, Rhodia zu veräußern. Rhône-Poulenc ist verpflichtet, der GD Wettbewerb jede Transaktion, insbesondere finanzieller Art, zwischen Rhône-Poulenc und Rhodia mitzuteilen. Die zwei gleichzeitig getroffenen Entscheidungen der GD Wettbewerb hatten, beabsichtigt oder nicht, mehrere Auswirkungen. Die Kommission, die sich nicht von der Tatsache täuschen lassen will, dass Donau Chemie A + W auf Rechnung von Rhodia erwirbt, anerkennt mit ihrer Entscheidung letztendlich diesen noch hypothetischen Kauf. Sie erlaubt Rhône-Poulenc hiermit während des gesamten Jahres 1999, eine widersprüchliche Argumentation gegenüber den Märkten und den verschiedenen Wettbewerbsaufsichtsbehörden, insbesondere in den Vereinigten Staaten, der Europäischen Union und Indien, zu verfolgen. Rhodia kündigt dann die unmittelbar bevorstehende Übernahme von AW an, was zu einem spektakulären Anstieg des Aktienkurses führt. Die AW Konten werden jedoch weder in der Bilanz von Rhodia, noch in der von Donau Chemie zum Ende des Jahres 1999 konsolidiert. Sie werden jedoch schlussendlich eine verdeckte Verbindlichkeit enthüllen. In dem die GD Wettbewerb als Gegenleistung zum Aventis-Zusammenschluss die Unabhängigkeit von Rhodia gegenüber Rhône-Poulenc akzeptiert, verpflichtet sie sich, die Überlebensfähigkeit und Unabhängigkeit von Rhodia zu kontrollieren. Aber in der breiten Öffentlichkeit weckt diese Entscheidung in erster Linie den Eindruck, dass Rhône-Poulenc, gezwungen durch die Anti-Monopolgesetzgebung, Rhodia fallen lässt. In Wirklichkeit besteht die Kollusionsgefahr zwischen Aventis und Rhodia weiterhin, wobei die Kommission letztlich dieser Situation ausdrücklich zustimmte. Selbstverständlich obliegt es nicht der GD Wettbewerb, weder die Stimmigkeit der Konten, noch die Stichhaltigkeit einer industriellen Strategie zu untersuchen, die einerseits auf die Entwicklung von Aventis und andererseits der Rhodia-AWs abzielen. Allerdings können die Aktionäre der GD Wettbewerb anlasten, bewusst Maßnahmen grünes Licht gegeben zu haben, die heute bereits in Indien verurteilt wurden und denen in Frankreich ähnliches droht. Parallel zu diesen Ereignissen, im Mai 1999, spricht sich Karel van Miert dafür aus, das Unternehmen Rhône-Poulenc von einer sehr schweren Geldstrafe zu entbinden (115 Millionen €), die ihm für die Teilnahme an einem Kartell auf dem Markt für Vitamine auferlegt wurde. Zum Zeitpunkt dieser Vorkommnisse ist Herr Fourtou Vorstandsvorsitzender von Rhône-Poulenc. Heute steht er Vivendi vor, wo er Karel van Miert im Jahre 2004 in den Aufsichtsrat benennen ließ. II. 1999 - 2004: Die Amtszeit von Kommissar Monti. Die Unabhängigkeit und Überlebensfähigkeit von Rhodia musste gemäß der Entscheidung 1378 Gegenstand einer strengen Überwachung durch die Europäische Kommission sein. Aber in dieser Zeit wird Rhône-Poulenc Rhodia regelrecht ausnehmen. Diese Handlungen, die Rhodia an den Rand des Konkurses geführt haben, mussten gemäß der Entscheidung 1378 der GD Wettbewerb mitgeteilt werden. Diese verfügte wiederum über 7 Tage, um darauf zu reagieren. Wurden diese Entnahmen der GD Wettbewerb tatsächlich mitgeteilt? Und war sich diese bewusst, dass sie daraufhin die Märkte hätte alarmieren, bzw. hätte sicherstellen müssen, dass dies durch die Wirtschaftsprüfer erfolgt? Oder hat sie befunden, als sie unterrichtet wurde, dass sie diese Information für sich behalten könnte, ohne sich an der Manipulierung der Finanzmärkte mitschuldig zu machen? Oder aber, falls sie darüber nicht in Kenntnis gesetzt wurde, wie ist es dann zu erklären, dass die Experten, die beauftragt wurden, jedes, insbesondere finanzielle, Abkommen zwischen Aventis und Rhodia zu verfolgen, es nicht getan haben? Im Jahre 2003 unterzeichnen Rhône-Poulenc und Rhodia ein Abkommen, nach dem Rhône-Poulenc für einen Pauschalbetrag die Gesamtheit aller ökologischen Risiken auf Rhodia überträgt, die Rhodia zum Zeitpunkt der Abspaltung übernommen hatte. Sehr schnell erweist sich dieser Betrag als weitaus zu niedrig angesichts der bereits entdeckten Risiken: die "ökologischen Verbrechen" von Silver Bow in den Vereinigten Staaten und von Cubatao in Brasilien. Am 15. Januar 2004 verurteilt die Justiz der Vereinigten Staaten Rhodia zu einer gewaltigen Geldbuße für das ökologische Verbrechen von Silver Bow. Am 29. Januar 2004 reicht Aventis bei der GD Wettbewerb ein Ersuchen ein, um von der Verpflichtung, sich von den restlichen Anteilen an Rhodia trennen zu müssen, entbunden zu werden. Rhodia erhält diese Genehmigung am folgenden Tag (Berichtigung der Entscheidung 1378 vom Sommer 1999). Als Gegenleistung veräußert Aventis sein Tochterunternehmen Wacker Chemie. Wurde die Kommission über das Abkommen aus dem Jahr 2003 in Kenntnis gesetzt, dieser "Fahrerflucht", bei der letztendlich die nun eindeutig absehbaren ökologischen Risiken eines florierenden Unternehmens, Aventis, auf ein insolventes Unternehmen, Rhodia, übertragen wurden? Zu diesem Zeitpunkt steht die europäische Richtlinie über die Umwelthaftung von Unternehmen kurz vor der Annahme in dritter Lesung. War die GD Wettbewerb der Ansicht, dass es nicht in ihrer Pflicht lag, die zuständigen Behörden darüber in Kenntnis zu setzen? Wenn dies der Fall sein sollte, welche Konsequenzen müssen wir daraus hinsichtlich der Organisation der europäischen öffentlichen Hand ziehen? III. 2005: Die Amtszeit von Kommissarin Kroes Ab dem Sommer 2005 prüft Ihr Berichterstatter den Bericht über die Wettbewerbspolitik 2004. Er stellt fest, dass die Entscheidungen aus dem Jahr 1999 von der Website der GD Wettbewerb verschwunden sind, was ein außergewöhnlicher Vorgang ist. Diese Entfernung hat die Arbeit Ihres Berichterstatters wie auch die der kleinen und großen Kläger im Rhodia Prozess behindert. Diese Kläger sind sowohl große europäische Vermögen als auch eine große Zahl von Angestellten Rhodias, die überzeugt worden waren, Aktien ihres Unternehmens zu kaufen, und die durch den Niedergang von Rhodia sowohl entlassen als auch ruiniert wurden. Als sich der Rhodia-Skandal weiterentwickelte, interpellierte unsere Präsidentin, Frau Berès, die Kommissarin für Wettbewerbsfragen, Frau Kroes, die ihr per Schreiben vom 24. Oktober 2005 antwortete. Frau Kroes sollte jedoch davon absehen, sich selbst in diese Debatte einzubringen. In der Tat hatte sie sich bei ihrer Nominierung als Kommissarin verpflichtet, nicht in den Angelegenheiten von Unternehmen zu intervenieren, in denen sie Mitglied der Geschäftsleitung war. Nun stellt jedoch die Rhodia-Affäre die Rolle der Unternehmensberatung PriceWaterhouseCoopers (PWC) in Frage. Frau Kroes war Mitglied des Vorstands der Unternehmensberatung genau zu dem Zeitpunkt, als diese für die Buchprüfung von Rhodia zuständig war. Inhaltlich sind die im Antwortschreiben vom 24. Oktober 2005 angeführten Argumente entweder anfechtbar oder aber unannehmbar – Die GD Wettbewerb hat nicht die Aufgabe, die Stimmigkeit der Buchführung oder die Sinnhaftigkeit der Fusionen/Umstrukturierungen, sondern ausschließlich ihre Wirkungen auf den Wettbewerb zu untersuchen. Dies ist richtig, und es ist eines der Probleme, die aufgrund dieser Affäre einer erneuten Überprüfung unterzogen werden müssen. Hätte es nicht der GD Wettbewerb obliegen müssen, andere Kontrollinstanzen über die Vorkommnisse zu informieren? Sollte man nicht die Verfahren und die Pflichten, die sich aus einer derartigen Situation ergeben, klar definieren? Außerdem, als Wächter über die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs, hatte die GD Wettbewerb durchaus die Pflicht, angesichts jedweder Maßnahme von Aventis zu intervenieren, die zum Schiffbruch seines Konkurrenten Rhodia führen könnte. – Die Kommission hätte Aventis keine Geldbuße auferlegen können, die einzige mögliche Entscheidung wäre gewesen, die Fusion Hoechst - Rhône-Poulenc wieder in Frage zu stellen Bedeutet dies, dass die offensichtlichen Verstöße gegen die Verpflichtungen Aventis, im Rahmen der Entscheidung 1378, nur durch "einen nuklearen Schlag" sanktioniert werden können, nämlich dass die Genehmigung des Zusammenschlusses Hoechst - Rhône-Poulenc in Frage gestellt wird? Gibt es keine angemessenere Form der Sanktionierung? Sollte man andernfalls nicht eine solche erfinden? Und im Übrigen, sind die Fehler wirklich so geringfügig? Tausende von Entlassungen, der Ruin von tausenden von Sparern, hunderte von Beschäftigten und Anrainern die infolge des Kontakts mit giftigen Produkten schwer erkrankt sind? Regierungen, die gegenüber nicht auffindbaren Verschmutzern ohne Handhabe sind? – Die Verpflichtung zu Maßnahmen gegen Verstöße gegen die ursprüngliche Entscheidung 1378 wären durch eine neue, richtigstellende Entscheidung im Januar 2004 ohnehin entfallen. Dies würde darauf hinauslaufen, dass die Kommission die Befugnis hätte, nach Ermessen Akteure von Verstößen über einen Zeitraum von 5 Jahren zu amnestieren, und sich selbst zu amnestieren, was ihre eigene Kontrollpflicht angeht! Schlussfolgerungen. Wir sind weit von der Vorstellung entfernt, dass das Parlament ein Mitbestimmungs- oder Rückrufrecht (call-back) für individuelle Entscheidungen der GD Wettbewerb fordern sollte. Aber die gewichtigen Vorbehalte, die durch die Rhodia-Affäre hervorgerufen werden, veranlassen Ihren Berichterstatter, die Einberufung eines Untersuchungsausschusses vorzuschlagen. Dieser sollte kein anderes Ziel haben, als mögliche Dysfunktionen aufzudecken um eine Wiederholung dieses Vorganges zu vermeiden und Reformvorschläge zu diesem Zweck zu formulieren. [XX] = Anmerkung des Sekretariats |
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